Rückblick auf die einzigartige Veranstaltungsreihe „Miteinander mit allen Sinnen“

In diesem Artikel berichten wir von den vielfältigen Events der Veranstaltungsreihe „Miteinander mit allen Sinnen“, die von der Gruppe der spirituellen Brückenbauer organisiert wurde.

Die Gruppe der „Spirituellen Brückenbauer“

ist durch Anstoß der Initiative „Stadt des Miteinanders“ entstanden und besteht aus den beiden katholischen Pfarren, der evangelischen Kirche, der serbisch-orthodoxen Kirche sowie der islamischen Glaubensgemeinschaft. In ihrer Arbeit stellt die Gruppe das Gemeinsame vor das Trennende. Den Glauben der Anderen verstehen die Mitglieder als Bereicherung eigener Einsichten. So wird es möglich, im Miteinander eine gemeinsame Zukunft zu denken. In einer pluralen und zunehmend zerrissenen Gesellschaft kommt diesen Gedanken ganz besondere Bedeutung zu. Der Zusammenschluss der „spirituellen Brückenbauer“ ist einzigartig in Österreich. Mehr über die Gruppe erfahren.

Veranstaltungsüberblick

VeranstaltungDatum/ Ort
Ausstellung „Wir, Kinder Abrahams“ aus dem Werk von Ernst Degasperi zu den Gemeinsamkeiten von Judentum, Christentum und Islam.   Öffnungszeiten: Fr, 14.30-18.30 Uhr, Sa und So, 14-19 UhrFr, 20.05. – Do, 30.06. Tullner Moschee, Porschestr. 3/5 Vernissage: Fr, 20.05., 19 Uhr
Konzert: Verleih uns Frieden – „Missa in tempore belli“, a capella chor Tulln Dieses Werk Joseph Haydns verkörpert den sehnlichen Wunsch nach Frieden und Miteinander.   Do, 26.05., 17 Uhr Pfarrkirche St. Stephan, Wiener Str. 20
Eintritt: € 20,-*
Konzert: „Wir beten singend zu Gott“ Der Chor der orthodoxen Kathedrale Wien „Kornelije Stanković“ präsentiert orthodoxe liturgische Lieder.Sa, 28.05., 18 Uhr Serb.-Orth. Kirche, Grünwaldg. 22
Foto-Präsentation: „Wir, Kinder Abrahams“ Macht und Ohnmacht visueller Darstellungen in religiösen Räumen werden in einer digitalen Foto-Präsentation demonstriert.Fr, 03.06., 19 Uhr Pfarrkirche St. Severin, Anton-Bruckner-Str. 12
Workshop/Vortrag: „Ikonenmalerei“ Über die Bedeutung von Ikonen in der Orthodoxie und die Bedingungen ihrer handwerklichen Herstellung.Sa, 04.06., 18 Uhr Serb.-Orth. Kirche, Grünwaldg. 22
2. Reise durch die spirituellen Räume: „Bilder der Spiritualität“ Im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ werden Tullns Kirchen und die Moschee besucht. Schwerpunkt sind die bildlichen Darstellungen der verschiedenen Religionen.   Fr, 10.06., 18 Uhr Treffpunkt/Abfahrt: Minoritenpl. 1 (Rathaus)  
Sommerkonzert des Musikschul-Sinfonie-Orchesters Tulln Die Kinder der Musikschule Tulln schlagen eine musikalische Brücke zwischen Barock, Klassik, Romantik, Lateinamerika, Jazz und Film.  Do, 16.06., 18 Uhr Pfarrkirche St. Stephan, Pfarrgarten, Wiener Str. 20
Vortrag: Abrahams Kinder – Biblische Stammeltern und Menschen im Koran Personen der Bibel haben auch im Koran Bedeutung. Der Vortrag vermittelt überraschende Einblicke.Do, 23.06., 18 Uhr Evang. Kirche, Grottenthalg. 16

Ausstellung „Wir, Kinder Abrahams“

Fr, 20.05. – Do, 30.06. Tullner Moschee, Porschestr. 3/5 Vernissage: Fr, 20.05., 19 Uhr

Die Eröffnung der Ausstellung „Wir, Kinder Abrahams“ in der Tullner Moschee war ein Fest der Gemeinsamkeit, der Kooperation und des Miteinanders. In der Ausstellung werden noch bis 30. Juni drei Bilderzyklen des niederösterreichischen Malers Ernst Degasperi gezeigt. Zeitlebens hatte der Maler sich um das Zusammenspiel der Kulturen und der Religionen bemüht. Die Bedeutung seiner Bemühungen stand im Zentrum der Reden und Ansprachen.

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Bürgermeister Peter Eisenschenk, Imam Senad Kusur, sowie Vertreter der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs, sowie der Gesellschaft Desgasperi.

Konzert: Verleih uns Frieden – „Missa in tempore belli“

Do, 26.05., 17 Uhr Pfarrkirche St. Stephan, Wiener Str. 20

Es war ein gewaltiges Konzert des A Capella Chores in Tulln. Aufgeführt wurde die Paukenmesse von Joseph Haydn. Mitten in den napoleonischen Kriegen komponierte Joseph Haydn dieses Werk.

Man schreibt das Jahr 1796. Es tobt der Erste Koalitionskrieg gegen Frankreich. Aber Napoleon schreitet mit seiner Revolutionsarmee von Erfolg zu Erfolg. Sympathien, die bürgerliche Kreise zu Beginn seiner Regierungszeit durchaus für ihn gehegt hatten, schwinden zusehends. Denn Napoleon überzieht Europa mit Krieg und presst die unterworfenen Länder wirtschaftlich aus. 

Napoleon hat in Italien gesiegt und zieht nun in Richtung Österreich. Die Kommunikation wird Kriegsregeln unterworfen. Worte wie „Krieg“ oder auch „Frieden“ sind verboten. Das steigert Ängste in der Bevölkerung noch mehr.

Joseph Haydn will klar sagen, dass Krieg ist. Einerseits um der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken, andererseits aber auch um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, das in Krisenzeiten so unerlässliche Zusammenrücken und Miteinander zu befördern.

Also wendet er einen Trick an. Er komponiert eine Messe mit dem Namen „Messe in Zeiten des Krieges“ (missa in tempore belli) und nennt den Krieg beim Namen. Denn im Umfeld der Kirche gilt die amtliche Sprachregulierung nicht.

Die Aufführung des A Capella Chores war ein Erlebnis. Wunderbare Solisten sangen die Solopartien (Sakai Megumi, Johanna Krokovay, Gernot Heinrich, Macell Krokovay).

Bürgermeister Peter Eisenschenk wies in seiner einleitenden Ansprache auf die Bedeutung von Dialog und Miteinander, nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Religionen und Kulturen hin. Gottfried Zawichowski berichtete davon, dass die Proben zu diesem Konzert lange vor dem Krieg in der Ukraine begonnen hatten, nun aber eine bedrückende Aktualität hätten.

Am Ende berichteten mehrere Zuhörer, das die Performance derart intensiv gewesen sei, dass die Gänsehaut während des gesamten Konzertes nicht gewichen sei. Was für eine Anerkennung der künstlerischen Leistung!


Konzert: „Wir beten singend zu Gott“

Sa, 28.05., 18 Uhr Serb.-Orth. Kirche, Grünwaldg. 22

Wer eine orthodoxe Kirche betritt, dem fällt als erstes der reiche Bilder und Ikonenschmuck auf. Manchmal hört man auch den liturgischen Gesang. Er nimmt einen wichtigen Platz im liturgischen Gottesdienst ein. Dabei kommt es besonders auf den Ausdruck an. Also weniger auf den Text, als vielmehr auf die Gedanken des Menschen, seine Gefühle, Empfindungen, wie Freude und Schmerz, Kummer und Leid, aber auch Jubel, Hoffnung und die Bitte um Hilfe und Schutz.

Diese Musik ist weniger beschreibend, als meditativ. In ihrem Kern unterscheidet sie sich damit von modernen katholischen oder evangelischen Kirchenliedern, die eher textverbunden sind. Der Gesang des Chores bildet die Grundlage orthodoxer Kirchenmusik.

In die kleine, aber wunderschöne orthodoxe Kirche in Tulln kamen Mitglieder des Chores „Kornelije Stankovic“, dem Chor der orthodoxen Kathedrale von Wien, nach Tulln. Sie sangen die Lieder einer Messe, wobei jeder Teil zuvor erklärt und erläutert wurde.

Die Intensität des Gesanges war ergreifend, meinte eine Zuhörerin. „Es war, als ob man entschweben würde“.


Foto-Präsentation: „Wir, Kinder Abrahams“

Fr, 03.06., 19 Uhr Pfarrkirche St. Severin, Anton-Bruckner-Str. 12

Dass Miteinander mit allen Sinnen auch die historische Entwicklung eines einzigen Altares umfasst, wurde in der Stadtpfarrkirche St. Severin erläutert. Im Verlauf der letzten dreißig Jahre entstanden unterschiedliche Bilder, die allesamt eine moderne Auffassung von Religiosität widerspiegeln. Die Gestalterinnen der Bilder waren während der Präsentation anwesend. Durch die reichhaltige Bilderwelt führte Wolfgang Apfelthaler.


Workshop/Vortrag: „Ikonenmalerei“

Sa, 04.06., 18 Uhr Serb.-Orth. Kirche, Grünwaldg. 22

„Ikonen werden geschrieben, nicht gemalt“, erklärt der Veljko Savic, der Pfarrer der orthodoxen Kirche in Tulln, zu Beginn dieser sehr kurzweiligen Veranstaltung. Sie begann mit einer überaus lehrreichen Erläuterung darüber, was Ikonen eigentlich sind und wie sie zu verstehen sind, um danach in einen Workshop überzugehen, an dessen Ende jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine eigene Ikone verfasst hatte.

Ikonen, so Veljko Savic, sind keine „Bilder“ im Sinne moderner Kunst. Für eine Annäherung ist etwas Wissen über ihre Entstehung notwendig. Damals konnten nur wenige Menschen Schrift lesen, in dem Sinne, wie wir das heute kennen. Aber sie kannten die Schrift der Symbolik. Formen, Farben, Gegenstände – alles hat eine Bedeutung und will verstanden werden, wenn man den Sinn eines solchen Bildnisses verstehen will.

So bedeutet beispielsweise die weiße Farbe des Pferdes, auf dem St. Georg sitzt, dass er ein „Tribun“ des römischen Reiches war. Eines Generals also, mit Oberbefehl über 40.000 Mann.

Ein anderes Symbolsystem stellen die Farben dar. So hat Jesus auf Ikonen immer ein rotes Untergewand und einen blauen Mantel. Bedeutung: Rot ist in der Orthodoxie die göttliche Farbe. Das rote Untergeweand spriocht also von seiner göttlichen Natur. Während blau die Farbe der Sterblichen ist und ihn auch als Mensch kennzeichnet.

Anders bei Maria. Ihr Untergewand (immer in der Orthodoxie – der Katholizismus entwickelte andere Symbolfarben) ist blau, was darauf hinweist, das sie ein normale Frau gewesen ist. Ihr roter Umhang hingegen weist auf ihren Kontakt zur göttlichen Sphäre hin.

In dieser Welt von Symbolen geht es um die durch eine Ikone vermittelte Botschaft. Es geht immer nur um die vermittelte Botschaft, nie um das Holz und die Farbe des Bildes darauf. Deshalb werden Ikonen auch nie signiert. 

Im Anschluss lud Veljko Savic zum Workshop. Er versprach, dass jeder von uns eine eigene Ikone verfassen würde. Das konnte zunächst niemand so recht glauben. Farben und Material wurden verteilt. Mit guter Laune ging es ans Werk und bald hatten alle eine eigene Ikone geschaffen.


2. Reise durch die spirituellen Räume: „Bilder der Spiritualität“

Fr, 10.06., 18 Uhr Treffpunkt/Abfahrt: Minoritenpl. 1 (Rathaus)

Wenn Religionen zusammen arbeiten

Im Zentrum jeder Religion steht das Miteinander. Es war beeindruckend, wie die „Spirituellen Brückenbauer“ diese Überzeugung bei ihrer diesjährigen „Reise durch die Spirituellen Räume“ zum Ausdruck brachten. Zu keinem anderen Zeitpunkt ist es möglich, die Räume verschiedenster Religionen in so großer Dichte zu erleben. Einen nach dem anderen.

Das Motto „Bilder und Darstellungen“ zog sich wie ein roter Faden durch die „Lange Nacht der Kirchen“ in Tulln. Neben den zwei katholischen Kirchen, wurden die evangelische und die orthodoxe Kirche, sowie die Moschee besucht.

Mehr über die Veranstaltung liest du hier.


Sommerkonzert des Musikschul-Sinfonie-Orchesters Tulln

Do, 16.06., 18 Uhr Pfarrkirche St. Stephan, Pfarrgarten, Wiener Str. 20

„Musik verbindet uns alle“, resummierte Christoph Kowalski die Absicht des Konzertes, welche das Jugendorchester der Musikschule in der Stadtpfarrkirche St. Stephan gab. Auf dem Programm standen Werke, die eine Brücke über die Zeit spannten. Die Werke reichten vom Barock bis in die moderne Filmmusik.

Dabei reichten die Werke von Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) bis zur Symphonic Suite aus dem „Herrn der Ringe“ von Howard Shore (geb. 1946). Die Chorleiterin Bettina Schmitt lieferte dazu die historischen und musikalischen Hintergründe.

Lange dauerte der Applaus des Publikums, dessen sich die jungen Musiker nach der gelungenen Aufführung erfreuen konnten.


Vortrag:
Abrahams Kinder – Biblische Stammeltern und Menschen im Koran

Do, 23.06., 18 Uhr Evang. Kirche, Grottenthalg. 16

Überraschende Vergleiche von Persönlichkeiten in Bibel und Koran

Jede Art auf die Welt zu blicken hat ihre eigene Geschichte. Das gilt insbesondere für Religionen. Große Unterschiede ergeben sich weniger aus dem Inhalt der Geschichten, sondern daraus, wo sie entstanden sind und unter welchen historischen Bedingungen sie sich entwickelt haben. Wie nahe sie sich dennoch sind, wurde überdeutlich in einem gemeinsamen Vortrag von Eva Tiefenbacher, von der evangelischen Kirche in Tulln, und dem Tullner Imam, Senad Kusur.

Die gebannt lauschende Zuhörerschaft erhielt Einblick in Zusammenhänge, die wenig bekannt sind. „Das habe ich ja alles nicht gewusst“, meinte ein Zuhörer. Eine andere Teilnehmerin meinte: „Überraschend waren diese Zusammenhänge. Da versteht man auch die eigene Religion viel besser.“

Bereits zu Beginn ließ der Vergleich der Entstehungsgeschichten von Bibel und Koran aufhorchen. Beide Traditionen wurden Jahrhunderte lang mündlich überliefert. So bedeutet das Wort „Koran“ einfach „Vortrag“.

Während es die Autoren der Bibel vorziehen, Bilder zu vermitteln, indem sie Geschichten aus dem Leben von Jesus und anderen Personen erzählen, haben die Suren des Koran eher die Form von Sprüchen, die zu interpretieren sind. Auf Geschichten wird dort nur hingewiesen, aber sie werden nicht erzählt.

Als der Vortrag sich konkreten Persönlichkeiten zuwandte, ging es zunächst um die Frauen von Abraham. Sara, die Hauptfrau Abrahams, gebar ihm Isaak, während seine Nebenfrau, Haga, Isamel zur Welt brachte. Beide heiligen Bücher berichte, dass beide Söhne einen göttlichen Auftrag erhielten. So wurde Isaak zum Erzvater der Israeliten und Ismael zum Stammvater der Araber. Judentum, Christentum und Islam sind also eng verschwisterte Sichtweisen.

Sehr interessant ist die Bedeutung der Mütter in beiden Büchern. Während in der Bibel vor allem Verkündigung und Mutterschaft mit Jesus hervorgehoben werden, beschreibt der Koran Maria in ihrer Verletzlichkeit und Menschlichkeit. So schämt sie sich zunächst beispielsweise ihrer Schwangerschaft und versteckt sich.

Der Koran räumt auch zwei weiteren Müttern große Bedeutung ein. Nämlich der Mutter des Moses, die ihn in das Binsenkörbchen legte, und der Pharaonin, die Moses fand und aufzog. Diese drei Frauen, so der Koran, kamen als erste ins Paradies.

Beeindruckend ist die wiederkehrende Beschreibung ganz normaler menschlicher Regungen im Koran. So etwa bei Aaron, dem Bruder von Moses. Während die Bibel wenig über ihn erzählt und ihm nur den Rang des ersten Priesters zuerkennt, hat er im Koran große Bedeutung. Dort wird Aaron sehr menschlich beschrieben. Als der göttliche Ruf an ihn ergeht, Moses zu unterstützen, fürchtet er sich sehr. Da hört er eine Stimme: „Geh hin und hab keine Angst!“ Aaron überwindet seine Ängstlichkeit, übernimmt seine Aufgabe und führt gemeinsam mit seinem Bruder das Volk aus Ägypten.

Wie leicht ist dieser Rat auf unsere aktuelle heutige Situation übertragbar! Und wie gut täte es uns allen in diesen unsicheren Zeiten, zusammen zu stehen, uns mutig aufzumachen und unseren gemeinsamen Weg in die Zukunft im Miteinander zu gestalten!

Die eindrucksvolle Doppelconference vermittelte das Beste aus diesen beiden Religionen.